Bert Papenfuß: routine in die romantik des alltags

mit Zeichnungen von Helge Leiberg


In der Arena des Sprachakrobaten

Bert Papenfuß-Gorek (Jahrgang 1956) hatte in der DDR mit der Vorzensur Ärger. Von einigen Gedichten in Anthologien abgesehen, erschien sein erstes Buch dreizehntanz erst 1988 im Aufbau-Verlag. Inzwischen hat der damalige Herausgeber Gerhard Wolf mit janus press seinen eigenen Verlag und ediert die Dichter, denen er sich couragiert einst in dem verdienstvollen Forum Außer der Reihe zuwandte.
Karl Mickel hat, das sprachakrobatische Talent dieses Dichters früh erkennend, Papenfuß einen „Meister nicht-syntaktischer Grammatik“ genannt, und der Wiener Ernst Jandl rühmte vor Jahren, hier ist einer, „der die Düsterkeit unseres historischen Augenblicks in Versen von hoher Originalität festhält, einschneidend und herausfordernd wie experimentelle Poesie“.
Wer den opulenten Band routine in die romantik des alltags in die Hand nimmt, muß erst einmal den schwarz-roten Pinselhieben Helge Leibergs ausweichen, um an die vergleichsweise verschwindend klein gedruckten Gedichte zu gelangen. Alles ist Absicht, alles ist anders. Das Schriftbild: nicht dudenkonform, die Syntax: wie von gewittrigen Winden zerborsten. Auch die Grammatik will in andere Richtungen: Schon im Titel vermutet der flüchtige, der herkömmliche Leser statt des „die“ ein „der“. Doch der Leser irrt, wenn er glaubt, er werde hier in die Irre geführt. Es muß nicht gelesen und gleich verstanden werden, was gedruckt vorliegt. Der Leser muß aktiver Teilnehmer sein. Und was bei ihm aktiviert wird, schreibt der Dichter Papenfuß nur unvollständig vor. Sein sprechen ist frech, gewiß noch frecher, als es einst die Szene am Prenzlauer Berg sein wollte. In der Zentrifuge des Wort-Artisten wird „Sinn“ zu Un-Sinn, aber: Es zerplatzt hier der Schein-Sinn vergeblicher Realität. Und das kann ganz schön heftig knallen. Feuerwerke leuchten auf, Umgangssprache und Jargon, Kürzel aus Politik und Reklame brechen als provokante Partikel in den Vers ein, der eigentlich mehr entsteht, als daß er „fertig“ wäre. Die fünf Kapitel des Buches geben die Montiermethode des Dichters vor, es beginnt mit „tendenzlyrik“, geht zu „finanzlyrik“ und „brisanzlyrik“, landet bei „militanzlyrik“ und endet mit „bilanzlyrik“.

Helmut Hirsch, Berliner Lesezeichen, September 1996


Leibergs Sommeratelier auf der Insel Föhr
wurde abgerissen. Ein farbiges Leporello dokumentiert seine unwiederbringlichen Wandbemalungen, deren Figurationen sich in seinen Zeichnungen widerspiegeln. In Versen nimmt Papenfuß aktuelle Reiz-Worte und -Zustände aufs Korn – Grundrisse des Unterdrusses – mit ihrer paradoxen Romantik aus der Perspektive des under- und overdogs…
Janus Press Verlag, Ankündigung, 1995


Gerhard Wolf Janus press
Berlin 1995
ISBN 3-928942-06-9

Preis: 15,00 Euro